„Hörst du immer noch nicht, trotz Hörgerät?“
Aussagen wie diese sind für schwerhörige Menschen verletzend. Als noch kränkender werden jedoch oftmals die nonverbalen Reaktionen empfunden, wie etwa ein genervter Gesichtsausdrücke oder ein Abwenden ohne Erklärung.

Grund für die in der Regel nicht beabsichtigten Missverständnisse und Kränkungen ist die Schwierigkeit für Normalhörende, die unfassbare Beeinträchtigung nachvollziehen und verstehen zu können. Kaum ein äußerliches Indiz erinnert an die Probleme, welche die Schwerhörigkeit mit sich bringt. Nicht selten führt diese Tatsache zu einer Entfernung Normalhörendender von schwerhörigen Menschen.

Um ein Verständnis zu ermöglichen wird oftmals der Vergleich herangezogen, es gehe Schwerhörigen im Gespräch mit Guthörenden so, als ob man sich in einer fremden Sprache unterhalte. Um am Gespräch beteiligt zu sein, oder einfach nur zu verstehen um was es geht, müssen die Zusammenhänge in einer hochkonzentrierten und energieaufwändigen Weise erschlossen werden. Durch diesen Vergleich werden zwar der Energieaufwand, jedoch nicht das Ausmaß und die weitreichenden Auswirkungen einer Hörbeeinträchtigung deutlich. Vermehrt negative und energieraubende Gefühle und Emotionen sind häufige Begleiter einer Schwerhörigkeit. Dabei sind Reihenfolge und Intensität immer individuell; charakteristisch ist jedoch, dass sie sich gegenseitig bedingen und sich schnell zu einer Abwärtsspirale entwickeln können. Das ständige Nachfragen, ein vermindertes Selbstwertgefühl, der Rückzug aus sozialen Situationen ergeben Zurückgewiesenheit und Einsamkeit. Dies führt häufig auch zu Scham und einem damit verbundenen Kaschieren der Hörbeeinträchtigung, zu einer ständigen Anstrengung und Anspannung, zur Erschöpfung und einer reduzierten Leistungsfähigkeit. Die Folgen der Schwerhörigkeit reichen also sehr viel weiter als das schlichte „schwerer hören“, sie wirken auf den psychischen Gesundheitszustand und die persönliche Lebensqualität.

Einzelkämpfer im Beruf

Besonders im beruflichen Kontext stehen Schwerhörige, inmitten von Normalhörenden, mit der nicht sichtbaren Beeinträchtigung vor massiven Herausforderungen, wobei sich das Ausmaß der Herausforderungen je nach Schweregrad, Hörhilfeversorgung, Persönlichkeit, nach angeborener oder erworbener, nach beidseitiger oder einseitiger Schwerhörigkeit oder Taubheit individuell unterscheidet.

In den meisten Fällen werden ganz intuitiv und meist unbewusst Strategien angewandt, die Hörschädigung zu verstecken und bestimmte Kommunikationssituationen zu vermeiden. Neben hilfreichen, sogenannten adaptiven Bewältigungsstrategien ist das Verbergen der Hörschädigung eine maladaptive, ungeeignete Strategie, die oftmals zu einer Vielzahl von weiteren Schwierigkeiten führt.

Dieses Verhalten kostet nicht nur Energie, sondern verhindert einen gänzlichen Fokus auf berufliche Aufgaben. Primäres Thema des Alltags werden Vermeidungsstrategien die dazu führen, meisterlich kommunikative Situationen zu umgehen, Ausreden zu finden, sich selbst und das Umfeld vor der Schwerhörigkeit zu schützen. Möglicherweise wird dadurch das Ziel erreicht, dass die Schwerhörigkeit vom Umfeld nicht wahrgenommen wird und alles in Ordnung erscheint. Jedoch bringt diese Art des Umgangs auch Anstrengung und Einsamkeit mit sich. Die Herausforderungen des Alltags werden eher kurzfristig und nicht nachhaltig gelöst.

Auch gut hörenden Menschen fehlt durch dieses Verstecken die Möglichkeit, ein Verständnis und ein Bewusstsein für die Schwerhörigkeit zu entwickeln. In der Gesellschaft und bei Arbeitgebern ist das Thema bisher kaum angekommen. Grund dafür ist meistens das schlichte Nichtwissen.

Mehr Aufmerksamkeit erreichen

Zahlreiche Vereine, Selbsthilfegruppen und Institutionen setzen sich dafür ein, der Hörschädigung mehr Beachtung zu schenken. Zahlen und aktuelle Studien verdeutlichen jedoch, dass noch längst nicht das Bewusstsein erreicht ist, eine angemessene Barrierefreiheit und Teilhabe schwerhöriger Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft zu ermöglichen. So werden jährlich 5000 Menschen in Deutschland aufgrund von Hörschäden berufsunfähig und 36 % der Frührentner geben Schwerhörigkeit als Grund für den Vorruhestand an. Allein in Deutschland wird angenommen, dass bei 16% aller erwachsenen Menschen auf dem Arbeitsmarkt eine Hörschädigung besteht, dabei ist zusätzlich mit einer großen Dunkelziffer zu rechnen.  Mit Blick auf den demografischen Wandel und eine steigende Anzahl Berufstätiger mit Hörschädigung wird dieses Thema auch in Zukunft nicht an Relevanz verlieren.

Wie kann erreicht werden, der Hörschädigung mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, und somit zu einer Gesellschaft zu werden, die durch Akzeptanz und Verständnis geprägt ist; eine Gesellschaft, die auch Schwerhörigen Menschen den Rahmen bietet, ein offenes, erfülltes Leben zu führen?

Meiner Meinung nach kann, nicht etwa durch Forderungen und das Verteilen der Verantwortung, sondern vielmehr durch eigenes Tun die größte Wirkung erzielt werden. Daher soll sich dieser Beitrag vornehmlich darauf konzentrieren, inwiefern Betroffene der Schwerhörigkeit und den Entscheidungen von Außen ausgesetzt sind und in welchen Bereichen sie selbst zu einer verbesserten Lebenssituation beitragen können.

Herausforderungen annehmen

Das Ausmaß der Barrieren und Herausforderungen, denen hörbeeinträchtigte Menschen sich stellen müssen, wurde mir erst im Laufe meiner Berufserfahrung als Reha-Therapeutin für Menschen mit Cochlea-Implantat bewusst. Berufsübergreifend erzählten meine Klienten von ähnlichen Themen und schilderten ähnliche Anliegen.

Ein Blick in den Berufsalltag einer Klientin, Frau Ott, verdeutlicht die Herausforderungen und Schwierigkeiten hörbeeinträchtiger Menschen. Vor einigen Wochen erzählte sie, wenn sie von der Arbeit komme sei sie völlig kaputt und wolle nichts mehr hören und sehen. Schon während des Erzählens eines ganz gewöhnlichen Tagesablaufes wurde ihr erstmals so richtig bewusst, was sie täglich leistet:

Morgens habe sie noch die meiste Energie, dass würde allerdings nicht lange anhalten. An ihrem Arbeitsplatz, in einem Büro, welches sie sich mit 5 Kollegen teile, herrsche ein ständiger Geräuschpegel. Sie müsse sich sehr auf ihre Arbeit konzentrieren, sei aber gleichzeitig in ständiger Wachheit falls sie Kollegen ansprechen, oder sie das Telefon abnehmen müsse. Schon beim Klingeln des Telefons breche sie förmlich in Schweiß aus.

Zwei Mal wöchentlich fänden Meetings statt, vor denen sie jedes Mal Angst habe, direkt angesprochen zu werden, da sie die schnell wechselnden Themen nicht mitbekomme. In den Räumen sei die Akustik sehr schlecht, und sobald mehr als 4 Kollegen am Tisch miteinander sprächen, bekomme sie kaum mehr etwas mit. Dann das Mittagessen, was auch nicht wirklich eine Pause, sondern eher eine zusätzliche Herausforderung sei. Die Räumlichkeiten und der Dauerschallpegel seien viel lauter als im Büro, sodass diese Anstrengung das Mittagstief verstärke. Zudem, fügt sie zum Schluss hinzu, wolle sie nicht, dass sie mit ihrer Hörschädigung im Mittelpunkt stehe und alle Kollegen auf sie Rücksicht nehmen müssen; sie würde dann nicht ernstgenommen und als kompetent angesehen werden.

Die verschiedenen Geschichten meiner Klienten zeigen mir, dass sich die Herausforderungen der Hörschädigung in drei große Bereiche ordnen lassen:

1. Äußere Faktoren (darunter Hörhilfen und technische Hilfsmittel, aber auch von Außen     

                               einwirkende Umweltfaktoren und soziale Unterstützung)

2. Innere Faktoren (Selbstbild, Umgang mit der Hörschädigung, persönliche und soziale   

                              Fähigkeiten und Kompetenzen)

3. Kommunikation

Die gemeinsame Arbeit mit meinen Klienten, vor allem ihre eigene Arbeit und die daraus resultierende Entwicklung haben mir gezeigt, wie viel ein Mensch an sich und aus eigener Kraft erreichen kann. Erfahrungsgemäß kann ich sagen, dass Betroffene selbst die wirkungsvollsten Veränderungen in den Bereichen Selbstbild und Kommunikation erzielen konnten. Deshalb möchte ich einen Einblick in diese Bereiche geben.

Selbstbild:

Für einen selbst-bewussten Umgang ist das Bewusst-werden ein erster zentraler Schritt. Es geht darum, die Schwerhörigkeit als Teil seiner Person anzunehmen und anzuerkennen.

Zahlreiche Studien und Forschungsbemühungen geben Hinweise darauf, dass die innere Haltung, das Annehmen und Akzeptieren der eigenen Person mit ihren Stärken und Schwächen wesentliche Auswirkungen auf die Krankheitsbewältigung und anschließende Lebensbewältigung haben. Auch Studien speziell zum Thema Schwerhörigkeit beschreiben das Anerkennen der eigenen Schwerhörigkeit als zentralen Aspekt der Krankheitsbewältigung. Betroffene der Studie von Silvester Popescu-Willigmann äußern sich hierzu: „Es braucht ein gesundes Selbstbewusstsein, sich als hörgemindert zu „outen“; doch liegt hier die Chance, sein Leben offen zu führen, ohne Stress sich verstecken zu müssen und mit der Gelegenheit, dass Kommunikation mit Hörhilfen gelingt“. Das Annehmen „der Hörminderung als Teil der Person und das Begreifen, ein auditives Problem zu haben, ebnen den Weg für Lösungen“, so Silvester Popescu-Willigmann. Aus dieser konstruktiven, offenen Grundhaltung ist es schwerhörigen Menschen möglich, auf der einen Seite die eigenen Fähigkeiten einschätzen zu lernen und auf der anderen Seite zu wissen, in welchen Bereichen sie möglicherweise Unterstützung brauchen. Dieser Schritt ist wichtig, um schlussendlich die eigenen Fähigkeiten, die eigenen Wünsche immer wieder selbstkritisch und selbstbewusst reflektieren zu können; bewusst und unbeirrt den eigenen Weg zu gehen.

Wie kann also mehr Selbstkenntis, mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gewonnen werden? Die Antwort liegt bereits in den Worten selbst, durch Kenntnis, Vertrauen und Bewusstsein, dass heißt durch die Auseinandersetzung mit sich selbst. Durch bewusstes Beobachten der eigenen Gedanken und des Verhaltens können Schlüsse über sich selbst gezogen werden. Der erste Schritt ist das „Bewusst-werden“, und dies gelingt durch Beobachten.

Ein Beispiel aus meinem Berufsalltag soll verdeutlichen, wie unterschiedlich eine Aussage wahrgenommen werden kann. Wie entscheidend und ausschlaggebend hier das Selbstbild und Selbstbewusstsein des hörbeeinträchtigten Menschen sein können:                                                      Die Aussage „Du hast doch jetzt ein Hörgerät, kannst du etwa immer noch nicht hören?“ wird von Person A und B unterschiedlich erlebt. Person A erlebt diese Aussage als eine Kränkung und Abwertung der eigenen Person. Als eine Bestätigung der „inneren Stimme“, die sich ständig sagt nicht gut genug, behindert, anders und unperfekt zu sein. Nicht hart genug an sich gearbeitet zu haben und nie dorthin kommen zu können, wo ein Normalhörender steht.

Person B unterstellt dieser Aussage eine gute Absicht und Unwissenheit. In erster Linie geht sie davon aus, dass ihr Interesse entgegengebracht wird und ihre Meinung gefragt ist. Sie bemerkt, dass ihr Gegenüber die Einschränkungen und Herausforderungen der Schwerhörigkeit noch nicht begriffen hat, und daher wenig Verständnis zeigen kann; dass durch diese Aussage deutlich wird, was für eine andere Perspektive ihr Gegenüber hat, und es an ihr selbst liegt, durch gute Erklärungen ein Einblick in das Thema zu geben. Je nach Situation entscheidet sich Person B dazu sich zu kurz zu äußern, oder ausführlicher zu erklären.

Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass nicht entscheidend ist was gesagt wird, sondern vielmehr wie der eigene Umgang mit den Äußerungen eingeordnet wird. Es zeigt auch, dass Person B selbstbestimmt und selbstbewusst entscheiden kann, was und wie viel sie von sich mitteilen möchte.

Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Art und Weise wie etwas gesagt wird eine bestimmte Interpretation ermöglicht. Doch auch hier, und besonders bei einem harten Tonfall, ist eine selbstbewusste Reaktion entscheidend.

Diese Entwicklung durfte ich bei vielen meiner Klienten miterleben. Sie berichteten von einer Veränderung ihres Selbstbildes und Selbstbewusstseins durch die Auseinandersetzung mit sich selbst, durch Beobachten und Erkennen eigener Gegebenheiten und Verhaltensweisen. Diese Veränderung brauchte allerdings persönlichen Einsatz und Zeit, eine Investition die sich jedoch als sehr nachhaltig herausstellte.

Kommunikation:

Kommunikation ist die größte Möglichkeit und die größte Herausforderung zugleich.

Neben dem selbstbewussten Umgang mit der Hörschädigung ist eine offene und authentische Kommunikation der Schlüsselfaktor, um eine positive Veränderung der eigenen Lebenssituation zu erreichen.

Kommunikation kann uns miteinander verbinden und uns voneinander trennen.

Besonders für Menschen mit Hörbeeinträchtigung ist die Kommunikation entscheidend. Hier können sie aktiv dem Gefühl der Trennung und dem Unverständnis entgegenwirken.

Eine Trennung geschieht, wenn wir uns nicht verstanden und nicht gehört fühlen, obwohl wir uns nach unserem Verständnis ganz klar und deutlich ausgedrückt haben. Wenn wir etwas sagen und unser Gegenüber es falsch versteht, oder anders auffasst. Wenn wir uns erst gar nicht trauen etwas zu sagen und zudem nicht wissen, wie wir etwas ansprechen können. Oftmals entstehen aufgrund von Unsicherheit und Unwissenheit die Kränkungen, die zu einem Gefühl von Entfernung führen.

Eine Verbindung ergibt sich durch eine offene und ehrliche Kommunikation. Wenn wir uns zuhören und richtig verstehen. Wenn wir richtig hinsehen und auch auf nonverbale Signale achten. Wenn wir uns wertschätzen und Vertrauen entgegenbringen. Wenn wir erkennen, dass wir uns mit unserer ganzen Persönlichkeit zeigen können und durch diese Offenheit eine tiefe Verbundenheit entsteht.

Das schlechtere Hören erschwert die Kommunikation.

Um eine verbesserte Kommunikation zu erreichen, gibt es zahlreiche Tipps und Verhaltensregeln, wie sich Hörende in der Kommunikation mit schwerhörigen Menschen verhalten sollen.

Betroffene selbst jedoch scheinen von ganz anderer Unterstützung zu profitieren: meine Klienten berichteten oft davon, dass sehr laut mit ihnen gesprochen werde, obgleich sie vielmehr von einer langsameren und deutlicheren Sprechweise profitieren würden.

Umso wichtiger ist es, dass schwerhörige Menschen selbst diese Schlüsselkompetenz, ihre kommunikativen Fähigkeiten ausbauen und trainieren, sich mitteilen, Auskunft geben, aufklären und einen angemessenen Umgang einfordern. Aber wie funktioniert das, ohne ständig über sich Auskunft geben zu müssen und empfindlich auf alles reagieren, jede ungeschickte Kommunikationssituation verbessern und verändern zu müssen?

Das angestrebte Ziel soll hierbei sein, eine gute Balance für sich zu finden.

Eine gute Balance zwischen Dinge einfordern und über sich Auskunft geben auf der einen Seite, aber auch aushalten und Dinge für sich ausprobieren können auf der anderen Seite.

Es geht nicht darum empfindlich zu sein, vielmehr empfindsam, was, wie kommuniziert werden kann. Es geht darum, sich als Experte des eigenen Hörens zu vertreten und selbstbewusst Wünsche und Anliegen kommunizieren zu können.

Oftmals erarbeite ich mit meinen Klienten ganz konkrete Sätze, mit denen sie auf häufig wiederkehrende Situationen in ihrem Alltag reagieren können; wie sie ihr Gegenüber aufklären, für die Hörschädigung sensibilisieren, und antworten können, wenn sie etwas nicht verstanden haben, oder sich angegriffen oder gekränkt fühlen.

Dabei sind die Sätze ganz kurz und prägnant, manchmal entdecken Klienten auch Analogien, die es ihnen vereinfachen, eindrücklich und genau zu beschreiben. Es entstehen dabei Sätze wie: „Für mich hört sich deine Stimme wie unter Wasser an, und wenn ich die beiden Geräte (Cochlea Implantate) entferne, bin ich komplett taub“. Oder „Ich kann zwar etwas hören aber nicht verstehen. Es klingt wie chinesisch, ich höre dass du sprichst, aber verstehe nicht was du sagst. Mittlerweile kann ich gut Lippenlesen und kann den Inhalt meist durch das Mundbild erschließen.“

Bei der Arbeit, im Kontakt mit Kollegen und Kunden, aber auch im privaten Umfeld, beim Bäcker, beim Arzt, kann immer wieder auf die Sätze zurückgegriffen werden.

Diese Form der Auseinandersetzung trägt zu einer Klärung bei und stellt eine Unterstützung dar, Wünsche und Bedürfnisse offen und authentisch kommunizieren zu können.

Selbstbild und Kommunikation sind stark ineinander verwobene Bereiche und kaum voneinander zu trennen. Sie bedingen sich gegenseitig.

Ein Klient erzählte mir, er habe nicht nur sein Gegenüber für die nicht sichtbare Beeinträchtigung sensibilisieren können, sondern gleichzeitig die wesentlichen Merkmale, die das Verstehen erschweren, direkt angesprochen.„Ich bin fast taub, und daher ist es wichtig, dass ich dein Mundbild sehe, und können wir unser Gespräch an einen ruhigeren Ort verlegen, dann kann ich mich nur auf deine Stimme konzentrieren.“ Durch das konkrete Hinweisen und Mitteilen, was die eigene Hör-Analyse ergeben hat, werden entscheidende Faktoren, die das Gegenüber nicht wissen kann, verändert und verbessert.

Das Eintauchen in die Bereiche Selbstbild und Kommunikation zeigt einen Teil dessen auf, wie schwerhörige Menschen selbst eine positive Veränderung für sich bewirken können, wie sie, durch eine konstruktive und offene Grundhaltung ihre eigenen Stärken und Schwächen besser einschätzen und gezielt einsetzen können. Zudem wird deutlich, dass Selbstvertrauen und kommunikative Fähigkeiten nicht angeboren sind, sondern erlernt und trainiert werden müssen.

Die Ausführungen sollen nicht den Eindruck erwecken, durch einen bewussten Umgang mit Kommunikation und dem eigenen Selbstbild werde alles einfach und leicht. Verantwortung für sich und sein Umfeld zu übernehmen bedeutet, Entscheidungen zu treffen, sich auf den Weg zu machen, Neues zu entdecken. Auch das ist mit Arbeit verbunden. Verdeutlichen sollen die Ausführungen aber, dass Schwerhörige ihrer Situation nicht ausgeliefert sein müssen, sondern aktiv zu einer Verbesserung beitragen können.

„Wir haben fast alle schon einmal jemanden getroffen, der unter sehr schweren Bedingungen lebt, vielleicht todkrank ist oder eine schwere körperliche Behinderung hat und dabei fabelhafte emotionale Stärke bewahrt. Wie inspirierend die Integrität dieser Menschen ist! Nichts hinterlässt einen größeren, anhaltenden Eindruck auf andere als das Bewusstsein, das jemand das Leiden und die Umstände transzendiert hat und nun einen Wert verkörpert und ausdrückt, der das Leben inspiriert, adelt und erhöht.“

Diese Aussage von Steven Covey lädt uns auf einen Perspektivenwechsel ein, weg von den festgefahrenen Denkmustern des Ausgeliefertseins, wo es nicht mehr heißt: „Was macht die Schwerhörigkeit mit mir?“ sondern vielmehr, „Was mache ich mit der Schwerhörigkeit?“.

Dieser Beitrag wurde in der Fachzeitschrift “Spekrum Hören” 5/18 veröffentlicht